Von IceCube zu IceCube-Gen2
Mit bahnbrechenden Beobachtungen hat IceCube die Neutrino-Astronomie als neue Disziplin in der Erforschung des Weltalls etabliert. Erst durch die Beobachtung von Neutrinos ist es möglich geworden, Informationen aus Bereichen des Universums zu erhalten, aus denen Licht keine brauchbaren Informationen liefern kann. Um das Potenzial dieses neuen Fensters zum Kosmos voll auszuschöpfen, plant die internationale IceCube-Kollaboration eine umfangreiche Erweiterung des Detektors in der Antarktis.
Gigantischer Detektor im Eis
Der Nachweis von Neutrinos ist nur mit ausgeklügelter Technik möglich. Obwohl Neutrinos zu den häufigsten Elementarteilchen im Universum gehören, sind diese extrem schwer messbar. Sie fliegen nahezu ungestört durch alles hindurch. Ihr Nachweis erfordert daher riesige Detektoren. Der jetzige IceCube-Detektor befindet sich an einem einzigartigen Standort: Tief im Eis am Südpol nutzt er ein Kubikkilometer Gletschereis als natürliches Medium. Stößt ein Neutrino mit einem Eismolekül zusammen, entstehen geladene Teilchen, die auf ihrem Weg durch das Eis blaues bis ultraviolettes Licht aussenden: sogenanntes Cherenkov-Licht. Der Detektor fängt diese Lichtsignale durch mehrere tausend Lichtsensoren ein, die in Glaskugeln an langen Trossen befestigt wie Perlschnüre tausende Meter tief in das Polareis eingeschmolzen sind.
Der Ausbau zu IceCube-Gen2 wird den Detektor auf gigantische acht Kubikkilometer vergrößern und die Nachweisrate kosmischer Neutrinos verzehnfachen. Dafür wird die bestehende Infrastruktur von IceCube integriert und um drei neue Komponenten erweitert. Der optische Detektor wird im Kern verdichtet und um 120 zusätzliche Trossen mit tausenden neuartigen Lichtsensoren ausgedehnt. Über eine Fläche von 500 Quadratkilometern werden nahe der Oberfläche Radiodetektoren errichtet. Diese verbessern die Empfindlichkeit bei höchsten Energien um zwei Größenordnungen. Ein erweitertes Messfeld auf der Eisoberfläche weist atmosphärische Teilchenschauer, ausgelöst durch Kosmische Strahlung, nach.
Visualisierung des Detektorausbaus zu IceCube-Gen2 (Credit: DESY, Science Communication Lab)
Perfektioniert für die Neutrino-Astronomie
IceCube-Gen2 wird die Eigenschaften der Neutrino-Quellen mit bisher unerreichter Genauigkeit vermessen. Neben der höheren Nachweisrate vergrößert sich auch der empfindliche Energiebereich bis hin zu den höchsten Neutrino-Energien. Dafür werden mit zusätzlicher Messtechnik auch Radiosignale von Neutrino-Wechselwirkungen aufgezeichnet. Für die Cherenkov-Licht-Messungen wird die Lichtausbeute der optischen Sensoren durch neue Technologien optimiert. Bei der Übertragung und Auswertung der Lichtmuster werden Methoden der Künstlichen Intelligenz (KI) eingesetzt. Dadurch werden auch schnellere Reaktionszeiten auf Neutrino-Ereignisse möglich, um etwa weitere astronomische Teleskope auf ihre Quellen auszurichten. Ein Messfeld aus Teilchendetektoren an der Eisoberfläche hilft, Neutrinos aus den Tiefen des Alls von Neutrinos zu unterscheiden, die erst durch Teilchenkollisionen in der Erdatmosphäre erzeugt werden.
Überwintern am Südpol (Credit: Martin Wolf, TU München / IceCube, NSF).
Zukunftsweisende Technik aus Deutschland und Europa
Heute schon sind Forschungsgruppen in Deutschland und Europa wesentlich an der Gen2-Vorphase beteiligt, dem IceCube-Upgrade. Das Upgrade wird bis 2024 fertiggestellt. 2032 soll die vollständige Erweiterung zu IceCube-Gen2 abgeschlossen sein. Für die besonderen Anforderungen am Südpol und tief im Gletschereis werden die meisten Technologien völlig neu entwickelt – bis hin zu intelligenten Auslesesystemen für die Datenübermittlung, die bei hoher Effizienz mit höchst energiesparender Elektronik auskommen.
Hochleistungsfähige optische Sensoren
Für IceCube-Gen2 werden neue Sensoren entwickelt, die fast dreimal so viel Licht sammeln können wie die derzeitigen optischen Sensoren. Statt einem Ein-Pixel-Sensor, wie bei IceCube, sollen 24 Pixel pro Sensor das Licht nachweisen. Für die Vorphase von IceCube-Gen2 werden etwa 400 Sensoren produziert, über 200 davon in Deutschland. Für eine größere Lichtausbeute der Sensoren wird zudem das messbare Signal verändert: Mit Hilfe von Wellenlängenschiebern kann auch der ultraviolette Anteil des Lichts in einen Bereich verschoben werden, für den die Glasbehälter der Sensoren durchlässig sind.
Ausgeklügelte Kalibrationsmethoden
Grundlage für die Auswertung der gemessenen Signale ist das Wissen, wie sich das Licht im Eis bis zu seinem Nachweisort fortbewegt und welche physikalische Aussagekraft die Messung eines bestimmten Signals durch die Sensoren besitzt. Dafür nutzt das IceCube-Team verschiedene Kalibrationstechniken, die sowohl Detektoreigenschaften wie auch den Weg des Lichts durch das Eis klassifizieren und vermessen.
Künstliche Intelligenz für die Neutrino-Fahndung
Damit die Forscher:innen ein Neutrino-Ereignis als solches klassifizieren können, müssen sie die Lichtmuster der gemessenen Signale aufwändig mit Simulationen abgleichen. Simulationen sagen erwartete Signale abhängig vom auslösenden Ereignis, seiner Energie und seiner Richtung, vorher und beziehen dabei die Eigenschaften des Gletschereises aus den Kalibrationsdaten ein. Methoden des Maschinellen Lernens können den Prozess erheblich beschleunigen und Neutrino-Ereignisse schnell und zuverlässig aus den Messdaten herausfiltern.